BILDplus vom 05.05.2021, 14:31:00
Ratgeber Gefährliche Fehlfunktion
Autorin: Silke Hümmer
Die Schilddrüse ist quasi der Tausendsassa in unserem Körper. Nur 20 Gramm leicht, hat sie doch Einfluss auf so ziemlich alle Organe. Umso schlimmer, wenn sie nicht mehr richtig arbeiten kann das hat Folgen für Psyche, Gewicht, Herz, Schwangerwerden, Blutdruck und viele andere Körperfunktionen.
Wie Sie Fehlfunktionen erkennen, was die Symptome sind und was Sie dagegen tun können, erklärt Prof. Hans Udo Zieren, Ärztlicher Direktor des Deutschen Schilddrüsenzentrums.
Die Schilddrüse ist eine lebenswichtige Drüse, in der verschiedene Hormone produziert werden. Für die Synthese der wichtigsten Schilddrüsenhormone benötigt der Körper unbedingt Jod, das er nicht speichern kann und das daher in ausreichender Menge mit der Nahrung aufgenommen werden muss.
Fertige Schilddrüsenhormone werden in das Blut abgegeben, dringen in die Zellen anderer Organe ein und steuern dort die Geschwindigkeit fast aller Stoffwechselprozesse und Körperfunktionen. Sie sorgen zum Beispiel für eine gleichbleibende Körpertemperatur und fördern das zentrale Nervenwachstum.
Im Laufe des Lebens können sehr verschiedene krankhafte Veränderungen oder Störungen der Schilddrüse auftreten. Etwa jeder dritte Deutsche ist von einer Schilddrüsenvergrößerung, einer Knotenbildung, einer Autoimmunerkrankung alleine oder in Kombination mit einer Schilddrüsenunter- oder -überfunktion betroffen. Ab dem 45. Lebensjahr sogar jeder Zweite, Frauen insgesamt häufiger als Männer.
Bei einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) zirkulieren im Körper zu viele Schilddrüsenhormone. Diese sind Energielieferanten für viele Körperzellen. Bei einem Zuviel an Schilddrüsenhormonen hat der Körper daher ein Zuviel an Energie, die Drehzahl vieler Körperfunktionen ist dann zu hoch.
Typische Symptome sind:
★ Herzrhythmusstörungen, hoher Blutdruck
★ Nervosität, innere Unruhe, Schlafstörungen,
★ Stimmungsschwankungen bis hin zur Aggressivität
★ Gewichtsverlust, Durchfall
★ Vermehrtes Schwitzen
★ Zyklusstörungen bei der Frau
★ Haarausfall
★ Erschöpfung und Kraftlosigkeit
Bei einer Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) fehlen dem Körper wichtige Energielieferanten, er fährt im Prinzip untertourig. Im Erwachsenenalter entwickelt sich eine Schilddrüsenunterfunktion meist schleichend, anfangs treten häufig keine oder kaum Beschwerden auf. Begleiterscheinungen machen sich in der Regel erst bei einer stärkeren Unterfunktion bemerkbar.
Typische Symptome sind:
★ Extreme Müdigkeit, übermäßig schnelle Erschöpfung
★ Depressive Verstimmung, Antriebsmangel, Desinteresse, Konzentrationsstörungen
★ Kopfschmerzen
★ Kälteempfindlichkeit, erhöhte Infektanfälligkeit
★ Appetitlosigkeit, Verstopfung
★ Kühle, trockene Haut, geschwollenes Gesicht, geschwollene Zunge und Augenpartien
★ Stumpfe Haare, Haarausfall
★ Gewichtszunahme
Zu hohe Schilddrüsenhormonspiegel im Blut resultieren meist durch eine Überproduktion von Schilddrüsenhormonen. Häufigste Ursachen sind eine Schilddrüsenautonomie sowie ein Morbus Basedow, eine Autoimmunkrankheit, bei der spezielle körpereigene Antikörper die Schilddrüsenzellen zur vermehrten Produktion von Schilddrüsenhormonen antreiben. Bei einer Autonomie reagieren Teile der Schilddrüse nicht mehr auf die eigentlich sehr gut funktionierenden körpereigenen Regulationsprozesse und produzieren zu viel an Hormonen.
Andere Ursachen sind zentrale Regulationsstörungen oder auch eine sogenannte Freisetzungshyperthyreose, bei der es z.B. bei akuten Entzündungen zu Zellzerstörungen und damit zur passiven Freisetzung vorproduzierter Hormone kommt. Und es kann auch sein, dass Patienten bei der Behandlung anderer Schilddrüsenerkrankungen zu hohe Dosen an Schilddrüsenhormonen einnehmen.
Bei der Schilddrüsenunterfunktion hat man zu wenige Schilddrüsenhormone. Neben schwerem chronischem Jodmangel kann das folgende Ursachen haben:
► Die mit Abstand häufigste Ursache einer Hypothyreose ist der Verlust von ursprünglich funktionsfähigem Schilddrüsengewebe als Folge der Hashimoto-Krankheit, einer chronischen Schilddrüsenentzündung.
► Die Schilddrüsenunterfunktion kann vererbt sein und sich bereits im Mutterleib ausbilden, was im Embryonal- und Kindesalter zu schweren Entwicklungsstörungen führen kann.
► Auch kann eine Schilddrüsenunterfunktion nach einer Radiojodtherapie oder einer Schilddrüsenoperation auftreten, wenn bei der Behandlung viel Schilddrüsengewebe zerstört bzw. entfernt wurde und kein oder ein zu geringer medikamentöser Hormonersatz erfolgt.
Im schlimmsten Fall können die Patienten sowohl bei einer schweren Unterfunktion, als auch bei einer schweren Überfunktion in ein Koma fallen und bei ungünstigem Verlauf an den Folgen sterben. Das ist allerdings sehr selten. Insbesondere bei Patienten mit Vorerkrankungen wie z. B. seitens des Herz-Kreislauf-Systems können sich Schilddrüsenfehlfunktionen nachteilig auswirken.
Das kommt auf die Ursache an. Grundsätzlich sollte der Patient bei einer drohenden oder bereits bestehenden Schilddrüsenüberfunktion zunächst einmal die Zufuhr von Jod drosseln und vor allem nicht noch zusätzliches Jod (z.B. Jodtabletten) aufnehmen.
Zur medikamentösen Behandlung gibt es verschiedene Substanzen. Die häufig eingesetzten Thyreostatika (Medikamente vom Thioamid-Typ) hemmen in der Schilddrüse den Einbau von Jod in die Schilddrüsenhormone und drosseln so die Neuproduktion.
Auf Dauer kann das Gewebe, das zu viel Schilddrüsenhormone produziert, durch radioaktives Jod zerstört oder durch eine OP entfernt werden. Bei bestimmten Knoten ist dies manchmal auch durch eine minimal-invasive Thermoablation möglich, bei der die Knoten durch Hitze gezielt zerstört werden.
Bei einer Unterfunktion werden die fehlenden Hormone medikamentös ersetzt. Die optimale Hormondosis hängt von verschiedenen Faktoren ab und ist von Mensch zu Mensch verschieden. Daher ist es erforderlich, dass die Schilddrüsenwerte im Blut etwa vier bis acht Wochen nach einer medikamentösen Ersteinstellung und auch nach einer Dosisänderung kontrolliert werden.
Ein Kropf ist das deutsche Wort für eine vergrößerte Schilddrüse, unter Medizinern auch als Struma bezeichnet. Als wichtigste Ursachen gelten ein chronischer Jodmangel und eine genetische Disposition.
Um beim chronischen Jodmangel einen drohenden Mangel an Schilddrüsenhormon auszugleichen, schüttet die Hirnanhangdrüse vermehrt Schilddrüsen-stimulierendes Hormon TSH aus, was wiederum zu einer Vermehrung und Vergrößerung der Schilddrüsenzellen führt.
Wichtig ist eine gesunde und ausgeglichene Ernährung und eine genügende Jodaufnahme. Der tägliche Jodbedarf für Erwachsene liegt bei etwa 150 bis 200 Mikrogramm täglich, in besonderen Situationen wie z.B. in der Schwangerschaft noch höher. Perfekte Jodlieferanten sind Seefische und Meerestiere wie z.B. Seelachs, Kabeljau und Scholle. Auch die Verwendung von jodiertem Speisesalz kann helfen, Defizite auszugleichen.
Aber: Bei einer Überfunktion sollten Sie Jod möglichst meiden!
Wenn mehrere der oben genannten Symptome auftreten oder Ihr Hals sich vergrößert anfühlt, sollten Sie das abklären lassen. Ihr Hausarzt kann durch eine Blutuntersuchung und einen Ultraschall der Schilddrüse bereits wichtige Diagnosen stellen und Sie je nach Befund an einen Schilddrüsenexperten wie z.B. einen Nuklearmediziner oder einen Endokrinologen überweisen.